Eigeninitiative und Mut sind gefordert!

Ein Interview mit Ferdinand Reb zum Tourismus im Fichtelgebirge
von Ralf Oesterreicher

Der zweite milde Winter in Folge plagt Liftbetreiber und Gastronomen im Fichtelgebirge. Man kann sich nicht wie noch vor 20 Jahren auf Schnee von Dezember bis März verlassen. Die beteiligten Akteure sind nun gefordert, auf die sich verändernden Bedingungen zu reagieren. Einer der Hauptverantwortlichen für den Bereich Tourismus ist Ferdinand Reb, Geschäftsführer der Tourismuszentrale Fichtelgebirge e. V. Er sieht in der Problematik aber auch eine große Chance für ein Umdenken und einen Neuanfang für das Fichtelgebirge als Tourismusstandort.

 

Die letzten Winter waren sowohl in den Alpen als auch im Fichtelgebirge zunehmend schneeärmer. Wie reagieren Sie als Leiter der Tourismuszentrale auf diese Problematik?
Der Klimawandel ist mittlerweile nicht mehr von der Hand zu weisen. Bei den Wetterkapriolen heutzutage kann es sein, dass der Schnee innerhalb von wenigen Tagen weg ist. Dann ist eine ad hoc Kommunikation nötig, um schneller reagieren zu können und unser Produkt, den Tourismus, an den Kunden zu bekommen. In der Satzung des Vereins Tourismuszentrale Fichtelgebirge e.V. steht als oberstes Ziel die Förderung des Tourismus. Meine Interpretation dazu ist, dass wir fremdes Geld in die Region bekommen, um unsere Produkte weiter verbessern und sie verkaufbar machen zu können.
Worin liegt die Hauptarbeit der Tourismuszentrale?
Unsere Hauptaufgabe beruht auf drei Säulen. Erstens müssen wir den Winter und was man zu dieser Jahreszeit im Fichtelgebirge machen kann, werbetechnisch anbieten. Zweitens müssen wir mit dem Winter so umgehen, wie es die Situation erfordert. Wenn es keinen Schnee gibt, müssen wir Alternativen anbieten. Dazu gehört aber auch, dass die Gastgeber flexibler reagieren und ihre Angebote überarbeiten. Es gibt zum Beispiel bei uns viele sehr interessante Museen, die man besuchen kann. Oder den Wildpark in Mehlmeisel, der an 365 Tagen im Jahr geöffnet und völlig vom Wetter unabhängig ist. Und drittens müssen wir uns bei unseren Angeboten mittelfristig auf einen komplett neuen Gast einstellen, der nicht kommt, weil Schnee liegt. Sondern weil es viele alternative Angebote im Fichtelgebirge gibt. Winter ist demnach nur eine Jahreszeit.
Auf welche Weise soll Geld in die Region fließen?
Wir müssen die Protagonisten davon überzeugen, in diese Thematik zu investieren. Neue Angebote zu schaffen, die nicht wetter- oder jahreszeitabhängig sind. Und so Perspektiven schaffen. Am Ochsenkopf wurde beispielsweise in eine neue Beschneiungsanlage investiert. Kurz darauf haben umliegende Hotels ihre Zimmer komplett renoviert und neue Angebote geschaffen. Investitionen an anderer Stelle würden sicherlich ähnliche Wirkungen zeigen. Ähnlich einem Schneeballsystem, wo ein einzelner Auslöser eine ganze Lawine an Investitionen nach sich ziehen könnte. Davon müssen wir alle Akteure überzeugen.
Auch die Politik?
Gerade die Politik. Sie muss vom Tourismus überzeugt sein. Wir müssen die Politik als Lobbyisten für den Tourismus gewinnen. Je mehr Politiker ich dazugewinnen kann, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt unsere Arbeit. Und desto mehr Erfolg.
Es geht aber auch andersherum. In Weißenstadt steckte ein privater Investor eine Menge Geld in die neue Therme und beeinflusst so die Öffentliche Hand. Straßen wurden gemacht, vieles wurde renoviert.

Nach dem Brand der Fichtelberger Therme ist der Gemeinde Fichtelberg ein Besuchermagnet weggebrochen. Gibt es Maßnahmen, um die Gemeinde als interessanten Ort für den Tourismus zu retten?
Bei den Übernachtungszahlen gibt es seit dem Brand einen Verlust von 20 Prozent. Das ist ein großer Batzen. Auch mit leichten Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden. In Fichtelberg fehlt es an einer geschlossenen Strategie für den Ort. Aber die muss die Gemeinde selbst entwickeln. Das ist ein großes Problem: Das strategische Denken fehlt in vielen Gemeinden. Es fehlt eine Professionalisierung im Bereich Tourismus. Bei einem jährlichen Umsatz von 562 Millionen Euro in diesem Bereich unverständlich. Dazu hängen noch etwa 10 000 Arbeitsplätze an der Branche.
Der Tourismus hat also auch übergreifend Auswirkungen auf die Region?
Sicher. Ich sehe den Tourismus als Imagefaktor, um Arbeitskräfte an unsere Region zu binden. Deshalb muss auch die Industrie und Wirtschaft den Schulterschluss zum Tourismus pflegen. Nur mit einer guten Außendarstellung bekommen wir ganze Familien und gut ausgebildete Fachkräfte hierher. Wir müssen die Freizeitkomponente bei der Bindung von Fachkräften nutzen. Die gesamte Region hat etwa 300 000 Einwohner. Und die müssen nach außen auch transportieren, dass sie nicht nur stolz darauf sind, hier zu leben. Sondern sie müssen dieses Gefühl auch mit Inhalten füllen, die von außen sichtbar und greifbar sind. Dies sehe ich als Indikator für neue Investitionen.
In Bischofsgrün entsteht ein neues Sportcamp. Was erwarten Sie sich von dem Projekt?
Ich erwarte eine Verjüngung in den Gedanken und im Laufe der Zeit beim Publikum. Denn ins Sportcamp kommen hauptsächlich junge Menschen. Wenn es ihnen hier gefällt, erzählen sie es weiter, wenn sie wieder zuhause sind. Sie sind also Imageträger für unsere Region und bringen ein neues kreatives Milieu ins Fichtelgebirge. Langfristig muss die Innen- mit der Außendarstellung einhergehen. Das A und O in der Zukunft wird die Erhöhung der Investitionsfreude sein. Meine Arbeit ist getan, wenn private Unternehmer wieder investieren und eine Perspektive haben.
Was wurde bisher an Maßnahmen versäumt, um das Fichtelgebirge als Tourismusregion mehr zu etablieren und was muss dagegen getan werden?
Das wichtigste für die Zukunft ist es, eine gemeinsame Strategie zu verfolgen. Ein Großteil der Protagonisten im Bereich Tourismus sind schon unter dem Dach der Tourismuszentrale vereint. Wir haben einen Sechsjahresplan entwickelt, der auch bereits genehmigt wurde. Bisher wurde bei den Strategien einfach zu viel gewechselt und es gab keinen gemeinsamen Plan. Jetzt müssen wir noch mehr Menschen unter das Dach der Marke Fichtelgebirge bekommen.
Der Bayerische Wald scheint beim Thema gemeinsame Strategie besser dazustehen.
Das ist so. Man sieht es bei den Internetauftritten der verschiedenen Regionen des Bayerischen Waldes. Beispielsweise das Kötztinger Land nutzt ganz einfach die Vorteile des Daches bei Logo und Design. Im Bayerischen Wald werden die Synergien der benachbarten Regionen für das eigene Potenzial genutzt. Im Fichtelgebirge gibt es zu viel Klein-Klein. Aber ich versuche jedes Jahr, alle 46 Bürgermeister der Region mindestens ein Mal zu besuchen und ihnen zu erklären, die Synergien im Fichtelgebirge besser zu nutzen. Beispielsweise ist es doch heutzutage kein Problem mehr, in Bischofsgrün auch mit den Thermen in Weißenstadt zu werben. Das sind neun Kilometer Fahrt mit dem Auto. Also ein Katzensprung. Wir müssen also weg von der Neidgesellschaft und dazu hin, die Vorteile zu nutzen, die der Nachbar in der Region bietet. Unter der Dachmarke Fichtelgebirge.
Wie wollen Sie das schaffen?
Die Zeit ist knapp, aber es ist machbar. Es gibt erste Ansätze, dass nicht jede einzelne Touristinfo ihren eigenen Brei kocht. Ein großer gemeinsamer Solidartopf muss gefüttert werden. Das ist Grundvoraussetzung. Aus den Mitgliedsbeiträgen kann die Tourismuszentrale lediglich die Fixkosten wie Büroräume und Personalkosten decken. Gelder für das Marketing müssen zusätzlich generiert werden. Vergleichbare Regionen habe teils das Vierfache Budget für Marketing. Hier muss sich etwas ändern und die Politik reagieren.
Warum ist das Fichtelgebirge in dieser prekären Lage?
Vor der Grenzöffnung herrschte beim Tourismus eine Art Automatismus im Fichtelgebirge. Die Berliner kamen sowieso. Egal, ob man Marketing betrieb oder nicht. Deshalb war man in diesem Bereich auch nicht sonderlich kreativ. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Menschen aus dem Osten oder der Metropolregion Nürnberg fahren auch mal ganz schnell in die Alpen, wenn bei uns die Angebote nicht entsprechend attraktiver werden.
Wir müssen hier ein Modell wie etwa in Österreich etablieren, wo sich die Gemeinden zu Talschaften zusammengeschlossen haben und unter dem Dach eines übergeordneten Tourismusverbandes agieren. Dahin zu kommen, ist das Ziel für die nächsten 20 Jahre. Und dieser Verband muss auch ein autonomes Zugriffsrecht auf das Budget haben. So würden wir schnell wieder konkurrenzfähig.
Gibt es alternative Konzepte, um die milden Winter touristisch auszugleichen?
Am Ochsenkopf wird noch 2015 eine neue Rodelbahn gebaut, die komplett wetterunabhängig ist. Insgesamt wird es das Ziel sein, den Gästen Schlechtwetteralternativen zu bieten und dabei auf Nachhaltigkeit wert zu legen und mit den Energieressourcen vernünftig umzugehen. Außerdem muss beim Mountainbike-Tourismus noch mehr gemacht werden. Man kann die Langlaufloipen als Trails beschildern und Touren als Paket mit Übernachtungen anbieten. Wir können dabei bestehende Sommerwege adaptiert auf das Winterprogramm nutzen. Wichtig ist auch eine thematische Ausrichtung der Unterbringungsbetriebe. Dazu gehört sicherlich eine Portion Mut. Aber ich bin sicher, dass sich ein Wanderhotel oder ein Radhotel mittelfristig sehr gut etablieren würden.
Ein Resumé?
Im Fichtelgebirge muss eine Ausrichtung der Betriebe im Zusammenspiel mit den örtlichen Gegebenheiten erfolgen. Außerdem eine gemeinsame Strategie und der Mut, in neue Projekte zu investieren. Die Akteure auf diesen Weg zu bringen, ist unser ganz großes Ziel. Diese Perspektiven müssen wir selbst schaffen und einfach anfangen. Erst dann lohnt es sich, die neuen Projekte nach München zu tragen und um Unterstützung zu bitten, falls wir es finanziell nicht alleine stemmen können. Aber Eigeninitiative ist von den Menschen der Region als allerstes gefordert.

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